brain lab/politik
2000-01-10 19:40:58
Bartenstein
Bartenstein

Bartenstein hautnah
 
Wir haben den Minister laufend beobachtet



Gleichmäßig zieht der Minister seine Bahn. Er setzt die Fußabdrücke genauso regelmäßig auf den Asphalt unterhalb des Uhrturms wie seine Atemluft stoßweise in die klare Atmosphäre der Pensionopolis der Nestroy-Zeit. "Hoppauf Minister!" Nur einmal nicht hingesehen, und man weiß: Hannes Kartnig, der Präse bzw. Omnipräsente des Steirischen Sports nimmt am Steuer seines (niederquer)schnittigen Kabrios ebenfalls aktiv am Marathon teil - allerdings gegen die Laufrichtung. "Bravo Martin!" Wohl ein Verwandter des Politikers, der für das frühe Aufstehen an einem Sonntag und seine Aufmunterungen entschädigt wird: mit Abklatschen ins Leere. Nicht jeder ist eben für den Minister schnell genug, und auch cycamp-Kommentatoren können oft nur bis zur Halbzeit mithalten, bevor Bartenstein die Flucht nach Vorne antritt und nach 3:07,20 als 241. von 1518 Gewerteten die Dusche ansteuert.

Bartenstein ist also immer schon dort, wo man ihn (noch) nicht erwartet. Zum Beispiel im Café Eiles. Es wäre also für Feind und vor allem Freund ein unverzeihlicher Fehler, ihn zu unterschätzen. Immer schon hat die "Grüne Mark" ins Bein geschossen und Könige gemacht bzw. Obleute gestürzt. Eine gewisse Haus (oder Agrar)macht hinter sich wissend, in diesem Fall zusätzlich gestützt auf genug Kapital, um sich Hin- und Rücksichten nicht leisten zu müssen (und darin manchem Mitläufer und Kaffeegenossen verwandt), und wie über die Laufstrecke, so auch auf die Karriereleiter von einer gehörigen (und gesehenen) Portion Ehrgeiz getrieben, lässt sich schon einiges in die Wege leiten.

Geschickt positionierte und individualisierte Aussagen des Familienministers zu "einem 14jährigen Mädchen aus Sierra Leone, einem 14jährigen Burschen aus Rumänien sowie einem zweijährigen Kind aus der Türkei und einem einjährigen Kind aus China", die trotz hilfloser Beteuerung des Gegenteils des dritten New Yorkers in Schubhaft säßen, sollen die einen, solche wie "Es ist die Entscheidung der Mutter, ihr Kind bei sich zu behalten." oder über "Mütter, die einen Teenager durch die Pubertät bringen und damit mehr soziale Kompetenz beweisen als ein Manager eines mittleren Unternehmens", die anderen der Wählerschaft günstig stimmen. (Konsequenterweise leitet Frau Bartenstein, Mutter von fünf halbwüchsigen Kindern, deshalb auch kein mittleres, sondern ein großes Unternehmen.)

Aber auch der Umweltminister weiß zu überzeugen: "Nachhaltige Entwicklung und Umweltpolitik sollten eine Querschnittsmaterie in den Bereichen Energie, Landwirtschaft und Verkehr darstellen." Fast noch tiefsinniger: "Globale Bedrohungen wie der Klimawandel brauchen globale Lösungen. Dennoch muss lokal gehandelt werden, und das ist zu Hause". Wieso dann derzeit "kein Einzelvorschlag" zu einem "politisch sensiblen Thema" (CO2-Emission) zu erhalten ist bzw. der Minister seinen bereits vor einem Jahr angekündigten Optionenbericht zum Abbau umweltschädlicher Treibhausgase noch immer nicht vorgelegt hat, muss wohl an lokaler Bedrohung, die globales Denken verhindert, liegen. Immerhin wurde der Preis für Umweltschutz und Arbeitsplätze dem Biobauernverband Ernte für das Leben für seine neuen Vermarktungskonzepte verliehen. (Für Vermarktung hat die Pharmaindustrie schon immer einiges übrig gehabt.)

Doch wir wollen nicht ungerecht sein. Bartenstein - hautnah betrachtet - bietet auch einige für einen Politiker leider nicht immer charakteristische Züge. Er zeigt sich von einer gewissen distanzierten Korrektheit und spricht unaufgeregt und ohne den bei Trägern öffentlicher Ämter offenbar seit den 30er-Jahren nicht auszumerzenden Enthusiasmus. Sollte er sich also in Zukunft inhaltlich ebenso als Politiker eines neuen Zuschnitts erweisen, wie er das durch fehlendes Pathos formal jetzt schon tut, so erscheint die Prognose als wenig gewagt, daß die Stubenbastei 5 nicht die letzte Adresse ist, die sich Bartensteins Freunde für ihre Interventionsansuchen notieren müssen. Schließlich "wäre es schön", wenn es in 10 Jahren kein Umweltministerium mehr zu geben bräuchte, so Bartenstein, auch wenn er dies nicht nur auf seine Person bezogen gemeint haben könnte.

Alle Zitate aus: "Der Standard"

 Thomas Knob
© cycamp.at 2000

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Geposted am 2000-01-19 11:25:26 von Gregor Wegerer
Titel:Fantastisch

Eine fantastische Satire!! Dass ein ÖVP-Umweltminister ein Oxymoron ist, beweisen die Ergebnisse.



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