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Thema bla bla | |
Klar
und deutlich Was
bleibt von Viktor Klima? Eine
Sprechblase |
"Den
Menschen in unserem Lande" muss "mit aller Klarheit und
Deutlichkeit" mitgeteilt werden, dass es jetzt nicht an der Zeit
sei, "Forderungen zu stellen", vielmehr "soll jetzt jeder" -
vermutlich klar und deutlich - "sagen, was er eigentlich
will."
Dieser hier aus dem Gedächtnis zitierte Höhepunkt
politischer Sprachkultur, am 20.1. in diversen ZiBs abgesondert vom
Großmeister der (von Spindoktoren vorgefertigten) Sprechblase, V.
Klima, zeigt "mit aller Klarheit und Deutlichkeit" eines der
Hauptprobleme der soeben abgetretenen politischen Kaste: ihre
Sprachlosigkeit. Man könnte das obige Zitat durch beliebig viele
andere der letzten Jahr(zehnt)e ersetzen, gemeinsam ist ihnen allen
ein Merkmal: ihr Inhalt ist verkehrt proportional zu dem explizit
vorgetragenen Anspruch, nämlich "klar und deutlich" sein zu wollen.
In Wirklichkeit bleibt eben alles im Unklaren, Festlegungen werden
aus Hin- und Rücksichten gescheut wie Hostaschs Umarmungen
(allerdings viel erfolgreicher), sodass Substanzuntersuchungen einen
Wert kleiner gleich Null ergeben. Bis auf den ORF, dem Leeraussagen
allemal noch wertvolle (wie viel zahlt Prodixan für 20 sec?)
Sendeminuten wert sind, wird kaum jemand solchen Phrasen irgendeinen
Wert beimessen. Reden um des Redens willen, Logorrhoe, um präsent zu
sein - das ist zu einem Rollenspiel geworden, dessen Sinn niemandem
mehr fragwürdig scheint. Die Folge sind sinnlose Interviews,
Pressekonferenzen, Presseaussendungen u.s.w.
Wer hierbei
mitmacht (z.B. als Konsument), trägt zu einer Entwicklung bei, die
vielleicht am besten anhand des folgenden psychologischen Phänomens
erklärbar ist: Wenn man über einen langen Zeitraum keine oder kaum
Sinnesreize verarbeiten kann, weil man im Zustand der Deprivation
lebt (leben muss), wird man bald jeden, in einer anderen
Lebenssituation auch noch so entbehrlichen oder gar widerwärtigen
Reiz begierig aufgreifen und dankbar dafür sein, überhaupt etwas
empfinden zu können. (Zuletzt wurde dieses "Stockholm-Syndrom", das
auch der "Gehirnwäsche" zugrunde liegt, von J. Ph. Reemtsma in seinem
empfehlenswerten Buch über seine Entführung und Geiselhaft, "Im
Keller", beschrieben.)
Auch "die Menschen in unserem Lande" -
so scheint es - sind nach langer Reizdeprivation süchtig nach
eindeutigen, kantigen Worten und wählen in immer höherem Ausmaß
einen, der dieses Defizit ausgleicht und ihnen nicht nur formal,
sondern auch inhaltlich "klar und deutlich" sagt, wohin die Reise
geht.
Welche Schlüsse ergeben sich aus dieser Entwicklung? Es
lässt sich nicht verhindern festzustellen, dass viele
österreichische Journalisten, vor allem diejenigen, die Interviews
zu führen haben, an dieser Misere mitschuld sind. Interviewen hieße
schließlich einerseits Antworten einfordern und leere Aussagen weder
zu senden noch zu drucken bzw. als Dokument der Hilflosigkeit und
nicht als business as usual zu präsentieren, andererseits dort, wo
inhaltlich Relevantes auftaucht, "Ideologiekritik" zu betreiben,
also die unausgesprochenen Implikationen offenzulegen und das
Gesagte auf seine Folgen hin zu untersuchen. (Vgl. B. Brecht: "Wem
nützt dieser Satz? Wem zu nützen gibt er vor?") Da aber auch
ZiB-Reporter unter Hin- und Rücksichten leiden, ist dieses Minimum
an Berufsauffassung für sie ein unerreichbares Maximum. Längst hat
sich in ihren Köpfen jene Selbstverständlichkeit im Umgang mit
Leerformeln breit gemacht, die sie gar nicht mehr nachdenken und im
wahrsten Sinn des Wortes nachfragen lässt.
Ist eine Änderung
zu erwarten? Dazu müsste selbstständiges Denken zu einem
gesellschaftlich akzeptierten Wert werden und nicht als verdächtig
gelten. Wir werden also auch in Zukunft damit leben müssen, dass
Fragen einfach nicht beantwortet werden und sowohl der Interviewende
als auch der Konsument diesen Umstand akzeptiert. Vielleicht wäre es
ohnehin sinnvoller, sich einmal mit dem zu befassen, was "in unserem
Lande" de facto passiert, als mit dem, wovon (nicht) geredet wird.
Thomas Knob
© cycamp.at
2000
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CYCAMP-DISKUSSION: Poste Deine Meinung zu diesem
Artikel! Geposted am 2000-02-10 23:44:02 von
Walter A. Titel:Einmal ausgebrochen,
nicht mehr zu bremsen
Jetzt gehts sogar schon in
anderen Lagern los mit der "Klar und deutlich"-Manie.
Gewerkschafter verwenden diese Phrase munter weiter, aber
mittlerweile sogar VPler (Benita Ferrero-Waldner bei
OSZE-Konferenz- Eröffnung). Anscheinend merken nur wir
Cycamp-Leser und -Schreiber sowas.
Geposted am 2000-02-10 15:11:35 von
Robert
S. Titel:Klaro
Endlich jemand,
der sich traut, klar und deutlich zu sagen, was sich ich, als
Bürger dieses unseres kleinen, aber schönen Landes, dieser
unserer Heimat wie wohl die meisten anderen anständigen Bürger
in unserer stabilen Demokratie, das zu vertreten, wofür wir
immer schon eingetreten sind mit aller Deutlichkeit
eindringlich hinzuweisen. Ich danke und hoffe auch in dieser
historischen Zukunft auf eine innovative konstruktive
Zusammenarbeit aller in der Redaktion vertretenen
Persönlichkeiten ungeachtet ihres Charakters im Interesse von
uns allens.
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