brain lab/speakers corner

1999-11-22 17:03:33

Ist Personalbewertung Mobbing?
 
Eine neue Form von Mobbing? - von Thomas Knob



Zu den wahrscheinlich weniger beliebten Aufgaben eines Chefs gehört es, seine Mitarbeiter zu beurteilen. Dass diese Tätigkeit einerseits in unzutreffender Charakterisierung enden kann, andererseits die Möglichkeit zu unsachlichen An- und Untergriffen eröffnet, liegt auf der Hand. Ist ersteres durch Ungeschicklichkeit oder unbewusste Einflussnahme vom Beurteiler nicht unter Kontrolle gehaltener Faktoren wie Antipathie, schlechte Laune etc. erklär- und teilweise (selten) vielleicht sogar entschuldbar, liegen die Dinge im zweiten Fall doch etwas anders: Die betroffene Person erleidet persönliche und berufliche Nachteile nicht nur kurzfristig und unerwünscht, sondern nachhaltig und beabsichtigt. Ist das Mobbing? Mobbing ist englisch und bedeutet "jemanden fertigmachen", "ihn anpöbeln". Ähnliches würde unter den oben zitierten Umständen zutreffen. Ist es z.B. menschlich vertretbar, dass ein Mitarbeiter vom Personalchef zu einem "Persönlichkeitstest" aufgefordert wird, dessen ungünstige Ergebnisse ("keine Führungsqualitäten", "er hält sich für" ... "tatsächlich aber" usw. usf.) in einem Akt festgehalten werden und der weiteren Karriere abträglich sind? Wie soll sich ein Angestellter in dieser Situation verhalten? Hätte es Alternativen gegeben?

Um solche Fragen zu klären, muss die Situation zweigeteilt betrachtet werden.
Hier ist zunächst nach der Rolle des Beurteilers zu fragen. Warum, so fragt man sich unwillkürlich, zieht es jemand vor, einen wahrscheinlich computerunterstützten Test eher zu verwirklichen als ein persönliches Gespräch? Wenn es um das Verbessern der Arbeitsleistung, das Aufarbeiten von Defiziten, das Finden einer anderen Verwendung im Betrieb, das Ausräumen von Missverständnissen ... (es ließen sich noch viele Beispiele finden) ginge, wäre es wohl allemal besser, von Angesicht zu Angesicht zu reden. Kaum ein Thema lässt sich finden, bei dem diese - allerdings zeitintensivere - Methode gegenüber der in einigen Firmen offenbar schon beinahe ausschließlich gehandhabten im Rückstand wäre. Wenn man weiß, dass viele dieser sich wissenschaftlich gerierenden "Tests", "Studien", "Umfragen" etc. nicht annähernd die geforderten (und erst durch seriöse Eichung erreichbaren) Gütekriterien (Objektivität, Reliabilität, Validität) erfüllen, so erhebt sich der Verdacht, dass das vordergründig Beabsichtigte (nur eine "Hilfestellung" - womöglich für den Befragten selbst - bieten zu wollen) nur vorgeschoben und gar nicht der eigentliche Sinn der Sache ist. Man kann wohl davon ausgehen, dass in vielen Fällen auch dem Tester klar ist, dass sein Test nicht misst, was er zu messen vorgibt, und so zu dem Schluss kommen, dass oft schon vorher feststeht, was nachher bewiesen werden soll: Dieser Mitarbeiter hat Probleme oder macht Probleme oder kann sich nicht unterordnen oder passt nicht zu uns oder muss weg oder... Dies alles hätte man ihm auch sagen können. Flucht in die Scheinobjektivität eines von anderen zur Verfügung gestellten Instruments (Test) ist Flucht vor Verantwortung, die auf anonyme Strukturen abgeschoben werden soll. Im Gespräch hätte man sich Argumenten stellen müssen, dies ist manchem offenbar ein unangenehmer side effect.

Es ist aber auch die Seite des "Betroffenen" zu betrachten. Was folgt aus der Tatsache, dass er durch jemanden ungerecht behandelt worden ist? Beruflich, gesellschaftlich, psychologisch, physiologisch kann, wie man weiß, ein solches Erlebnis lang andauernde Folgen haben. Aber - muss das sein, soll das sein? Nicht, um abzulehnende Praktiken zu rechtfertigen, sondern um ihnen vorzubeugen, sei erwähnt, dass auch der Betroffene selbst Verantwortung trägt. Durch sein Verhalten verstärkt oder schwächt er nämlich die derzeitige und vor allem die zukünftige Position des "Personalbewerters". Lässt er sich einschüchtern und zeigt "Betroffenheit", so gibt er indirekt seinem Gegner recht und wird dafür mitverantwortlich sein, dass im nächsten Fall genauso gehandelt werden wird. Nimmt er das Ergebnis seines "Tests" mit dem Selbstwertgefühl eines, der weiß, dass er etwas anzubieten hat, was auch durch fragwürdige Machenschaften nicht zu erschüttern ist, entgegen, erschüttert er umgekehrt die Selbstgefälligkeit seines Gegenübers und lässt dieses "auflaufen". Die nächsten Bewerteten werden es ihm zu danken wissen. Natürlich wird diese Haltung in Zeiten verstärkter Anspannungen auf dem Arbeitsmarkt erschwert aufzubringen sein, dennoch muss erwähnt werden, dass externe Ursachen oft nur als Ausrede für mangelndes Selbstbewusstsein herangezogen werden. Mit einer Firma, die mobbt, sollte man nichts zu tun haben wollen.

Zum Schluss sei auf die Gefahr hingewiesen, Mobbing, einem herrschenden Trend folgend, mit der Austragung von Konflikten zu verwechseln, wie sie an keinem Arbeitsplatz ausbleiben können. Geringere Dünnhäutigkeit und eine gewisse Bereitschaft zum Konter wirken da oft Wunder. Nicht - wie dies manche, wieder einem Trend folgend, für nötig halten - auf ein bestimmtes Coaching, sondern auf seine eigenen Fähigkeiten sollte man sich verlassen, um dies zu erreichen. Man hat davon mehr, als man glaubt.

Die eingangs gestellte Frage kann also wie folgt beantwortet werden:
Personalbewertung ist nicht eo ipso Mobbing, trägt aber den Keim dazu in sich. Inwieweit sich dieser entfalten kann, hängt nicht nur von den bösen Absichten des Säenden, sondern auch von der Reaktion seines Gegenüber ab. Wogegen konsequent argumentiert werden sollte, sind manche Methoden der Personalbewertung. Vielleicht sollte man, um sich positiv von Missständen abzugrenzen, lieber Personalbeurteilung fordern. Denn darum sollte es gehen: sich - in Anlehnung an die Aufklärung - ohne Anleitung anderer (also auch ohne Anleitung durch Tests) ein Urteil zu bilden, es eigenständig zu formulieren und es dann im persönlichen Gespräch zu vertreten.

Thomas Knob Psychologieprofessor am 2.BRG 19, Billrothstraße 73

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 Walter(Matto) Augustin
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