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Ist Personalbewertung Mobbing?
Eine neue
Form von Mobbing? - von Thomas Knob |
Zu den wahrscheinlich weniger beliebten Aufgaben eines Chefs gehört es, seine Mitarbeiter
zu beurteilen. Dass diese Tätigkeit einerseits in unzutreffender Charakterisierung enden
kann, andererseits die Möglichkeit zu unsachlichen An- und Untergriffen eröffnet, liegt
auf der Hand. Ist ersteres durch Ungeschicklichkeit oder unbewusste Einflussnahme vom
Beurteiler nicht unter Kontrolle gehaltener Faktoren wie Antipathie, schlechte Laune etc.
erklär- und teilweise (selten) vielleicht sogar entschuldbar, liegen die Dinge im zweiten
Fall doch etwas anders: Die betroffene Person erleidet persönliche und berufliche
Nachteile nicht nur kurzfristig und unerwünscht, sondern nachhaltig und beabsichtigt. Ist
das Mobbing? Mobbing ist englisch und bedeutet "jemanden fertigmachen",
"ihn anpöbeln". Ähnliches würde unter den oben zitierten Umständen
zutreffen. Ist es z.B. menschlich vertretbar, dass ein Mitarbeiter vom Personalchef zu einem
"Persönlichkeitstest" aufgefordert wird, dessen ungünstige Ergebnisse
("keine Führungsqualitäten", "er hält sich für" ...
"tatsächlich aber" usw. usf.) in einem Akt festgehalten werden und der weiteren
Karriere abträglich sind? Wie soll sich ein Angestellter in dieser Situation verhalten?
Hätte es Alternativen gegeben?
Um solche Fragen zu klären, muss die Situation zweigeteilt betrachtet werden.
Hier ist zunächst nach der Rolle des Beurteilers zu fragen. Warum, so fragt man sich
unwillkürlich, zieht es jemand vor, einen wahrscheinlich computerunterstützten Test eher
zu verwirklichen als ein persönliches Gespräch? Wenn es um das Verbessern der
Arbeitsleistung, das Aufarbeiten von Defiziten, das Finden einer anderen Verwendung im
Betrieb, das Ausräumen von Missverständnissen ... (es ließen sich noch viele Beispiele
finden) ginge, wäre es wohl allemal besser, von Angesicht zu Angesicht zu reden. Kaum ein
Thema lässt sich finden, bei dem diese - allerdings zeitintensivere - Methode gegenüber
der in einigen Firmen offenbar schon beinahe ausschließlich gehandhabten im Rückstand
wäre. Wenn man weiß, dass viele dieser sich wissenschaftlich gerierenden
"Tests", "Studien", "Umfragen" etc. nicht annähernd die
geforderten (und erst durch seriöse Eichung erreichbaren) Gütekriterien
(Objektivität, Reliabilität, Validität) erfüllen, so erhebt sich der Verdacht,
dass das vordergründig Beabsichtigte (nur eine "Hilfestellung" - womöglich
für den Befragten selbst - bieten zu wollen) nur vorgeschoben und gar nicht der
eigentliche Sinn der Sache ist. Man kann wohl davon ausgehen, dass in vielen Fällen auch
dem Tester klar ist, dass sein Test nicht misst, was er zu messen vorgibt, und so zu dem
Schluss kommen, dass oft schon vorher feststeht, was nachher bewiesen werden soll: Dieser
Mitarbeiter hat Probleme oder macht Probleme oder kann sich nicht unterordnen oder passt
nicht zu uns oder muss weg oder... Dies alles hätte man ihm auch sagen können. Flucht in
die Scheinobjektivität eines von anderen zur Verfügung gestellten Instruments (Test) ist
Flucht vor Verantwortung, die auf anonyme Strukturen abgeschoben werden soll. Im Gespräch
hätte man sich Argumenten stellen müssen, dies ist manchem offenbar ein unangenehmer
side effect.
Es ist aber auch die Seite des "Betroffenen" zu betrachten. Was folgt aus der
Tatsache, dass er durch jemanden ungerecht behandelt worden ist? Beruflich,
gesellschaftlich, psychologisch, physiologisch kann, wie man weiß, ein solches Erlebnis
lang andauernde Folgen haben. Aber - muss das sein, soll das sein? Nicht, um abzulehnende
Praktiken zu rechtfertigen, sondern um ihnen vorzubeugen, sei erwähnt, dass auch der
Betroffene selbst Verantwortung trägt. Durch sein Verhalten verstärkt oder schwächt
er nämlich die derzeitige und vor allem die zukünftige Position des
"Personalbewerters". Lässt er sich einschüchtern und zeigt
"Betroffenheit", so gibt er indirekt seinem Gegner recht und wird dafür
mitverantwortlich sein, dass im nächsten Fall genauso gehandelt werden wird. Nimmt er das
Ergebnis seines "Tests" mit dem Selbstwertgefühl eines, der weiß, dass er
etwas anzubieten hat, was auch durch fragwürdige Machenschaften nicht zu erschüttern
ist, entgegen, erschüttert er umgekehrt die Selbstgefälligkeit seines Gegenübers und
lässt dieses "auflaufen". Die nächsten Bewerteten werden es ihm zu danken
wissen. Natürlich wird diese Haltung in Zeiten verstärkter Anspannungen auf dem
Arbeitsmarkt erschwert aufzubringen sein, dennoch muss erwähnt werden, dass externe
Ursachen oft nur als Ausrede für mangelndes Selbstbewusstsein herangezogen werden. Mit
einer Firma, die mobbt, sollte man nichts zu tun haben wollen.
Zum Schluss sei auf die Gefahr hingewiesen, Mobbing, einem herrschenden Trend folgend, mit
der Austragung von Konflikten zu verwechseln, wie sie an keinem Arbeitsplatz ausbleiben
können. Geringere Dünnhäutigkeit und eine gewisse Bereitschaft zum Konter wirken da
oft Wunder. Nicht - wie dies manche, wieder einem Trend folgend, für nötig halten -
auf ein bestimmtes Coaching, sondern auf seine eigenen Fähigkeiten sollte man sich
verlassen, um dies zu erreichen. Man hat davon mehr, als man glaubt.
Die eingangs gestellte Frage kann also wie folgt beantwortet werden:
Personalbewertung ist nicht eo ipso Mobbing, trägt aber den Keim dazu in sich. Inwieweit
sich dieser entfalten kann, hängt nicht nur von den bösen Absichten des Säenden,
sondern auch von der Reaktion seines Gegenüber ab. Wogegen konsequent argumentiert werden
sollte, sind manche Methoden der Personalbewertung. Vielleicht sollte man, um sich positiv
von Missständen abzugrenzen, lieber Personalbeurteilung fordern. Denn darum sollte
es gehen: sich - in Anlehnung an die Aufklärung - ohne Anleitung anderer (also auch ohne
Anleitung durch Tests) ein Urteil zu bilden, es eigenständig zu formulieren und es dann
im persönlichen Gespräch zu vertreten.
Thomas Knob
Psychologieprofessor am 2.BRG 19, Billrothstraße 73
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